Denkbar
ist ein Gedicht über eine Vorahnung und ein Gefühl.
Über die Angst vor der immer noch bzw. immer vorhandenen Gefahr, daß
ein Atomkrieg passieren könnte und daß die Chance dafür
nicht allzu klein ist. Die Gefahr ist wahrhaftig nicht vorbei. Ich denke, das
Problem ist grundsätzlich und liegt darin, daß wir (die Menschheit)
in den letzten 100 Jahren oder jemals nicht besser geworden sind. Es gab noch nie
so viel Gewalt und Kriege wie zu unserer Zeit. Wie ich es sehe, gibt es keine
Hoffnung auf eine fundamentale Änderung unseres Verhaltens, unserer Geisteshaltung
und unseres Denkens. Das ist tragisch, weil genau diese Änderungen nötig
wären. Wir sind absolut schuldig und ich fürchte, daß wir nicht
überleben werden...
Denkbar
Denkbar
ist das Aufsteigen der Rakete,
während wir hier
im Gras liegen -
denkbar ist,
daß sich die weißen Wolken
schwarz färben
unter dem Donner der Kampfgeschwader,
wenn wir der Arbeit nachgehen -
denkbar ist,
daß die Erde
heulend und dröhnend erzittert,
während wir auf der Terasse
beim Kaffee sitzen -
denkbar ist
daß wir im nächsten Augenblick
zum dann verseuchten See
wanken,
vor Schmerz schreiend,
nach Wasser und Kühlung suchend -
denkbar ist
daß schon gleich
die Stille des Waldes
vom Geschrei der Sirenen
zerrissen wird -
denkbar ist
daß jeden Moment
die Radiosendung
für eine letzte Sondermeldung
unterbrochen wird -
denkbar ist
daß wir gerade eben noch
Zeit haben,
unser Liebstes
in den Arm zu nehmen -
denkbar
ist aber auch,
daß all dies
wiederum
niemanden
wachrütteln wird.
Denkbar
ist heute
alles -
selbst das Undenkbare.
Carsten Finke
(aus dem Buch "Denn sie wissen was sie tun")